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Ein kleines deutsches Mädchen

Im feinen Herrenzimmer,
da sang man, ach so fein,
Romantik so wie immer,
die atmete man ein.
Man hörte so viel Weinen,
und Glut und Heldenmut,
ich schlich zum Wintergarten mich
und kühlte mir mein Blut.

Als die Musik so greinte,
da ging ich zu ’ner Bank,
die Parkfontäne weinte,
die Träne niedersank.
Die Palme stand und träumte
von Heinrich Heines Zeit,
es ging die Blaue Blume auf
und blühte Einsamkeit.

Der Kaktus still bedachte,
das Rätsel seines Seins,
daneben steinern wachte
der Kaiser Wilhelm Eins.
Der Heldenmut, das Denken,
des Geistes Feuer loht!
Ich war so leid den deutschen Geist
und fluchte: Schwere Noth!

Nanu – war da ein Häschen,
das raschelte und sprang?
Es lugte vor ein Näschen,
ein Laut wie Lachen klang.
Es lugte vor ein Näschen
und war zu sehen kaum,
es guckte vor ein kleines Ding
da hinterm Mandelbaum.

Ein klitzekleines Frätzchen,
was ich da seh und hör,
und putzig wie ein Kätzchen,
ein lustig kleines Gör!
Und auf ihr weißes Kleidchen
fiel blondes langes Haar
– ein Dämchen, das vermutlich war
so an die acht, neun Jahr.

Ich hatte eine Ahnung
und irgendwie vernahm
die höchst diskrete Mahnung,
die aus dem Busche kam.
Wir lasen in einander,
was wir uns so gedacht,
und ein Versteckspiel heimlich-klamm
wir haben ausgemacht.

Na denn, na gut, versteck dich,
verstecken wir uns denn!
Mit kicherndem Ich neck dich
sie hüpfte auf den Zeh’n.
Und hinter ihr ich schlich mich
und hinter ihr ich stieg,
und sie verkroch sich im Gebüsch
und hielt sich still und schwieg.

Sie richtete sich wichtig
in Blumen ein Versteck,
und fürchtete sich richtig
– ein Abenteuerschreck!
Wir taten so, als wär’n wir
in eines Riesen Saal
– und sie Prinzessin Edelweiß
und ich Herr Rübezahl.

Die Ärmste ward gefunden.
O Sorge, Not und Qual!
Das Wasser lief im Munde
dem Riesen Rübezahl!
– Komm vor, komm vor, Prinzessin,
damit ich fresse dich!
Sei lieb und mach dich richtig süß,
denn ich will fressen dich!

Sie kroch auf allen vieren,
Prinzessin, die sie war.
Da gab’s kein Desertieren,
doch es war wunderbar.
Wir schwangen und wir schwenkten
wie auf dem tollsten Ball
– das weiße Fräulein Edelweiß,
der schwarze Rübezahl.

Da – die Musik verklirrte,
mit Heldenmut war Schluß,
und die Romantik schwirrte
hinaus zum Abschiedsgruß,
und wir, wir mußten scheiden
– adieu, ade, ade! –
mit langem traurigem Lebwohl,
in herbem Abschiedsweh.

Ade, ade, Prinzesse,
wir bleiben Freunde, wir!
Du bist nicht blau vor Blässe,
heroisch deutsch dahier,
bist nicht das Kind Thusneldas
mit Kaiser Siegesgreis,
du Fee, die Mensch zu Menschen bringt,
Prinzessin Edelweiß.



 Gustaf Fröding, Schilf, Schilf, rausche. Ausgewählte Gedichte
 übersetzt von Klaus-Rüdiger Utschick, ©1999