; Nils Ferlin. Im Labyrinth des Lebens. Übersetzung: Klaus-Rüdiger Utschick  s

Chroniken in Idun *

Krönikor i Idun
6. Feb. 40

Erstaunen und Freude du wecktest,
du hattest sogar einen Thron,
als im Gefängnis du stecktest
als allerärmste Person.
Du sangst von den Faltern auf Haga,
von Nymphen, lieblich und froh,
vom Tanz und der Lust sel’ger Tage –
die Welt war im Rokoko.

Nun sind verweht ihre Spuren
vom Leben rings um dein Grab,
und deine muntren Figuren
marschierten endgültig ab.
Sie tanzten so tapfer zur Geige,
auch wenn die Lunge war schwer,
und tranken den Krug zur Neige
und singen nie wieder mehr.

Wo tanzt ein Mowitz in Zähren?
Mit wem geht Ulla nun aus?
Und wem wird ein Krüger bescheren
dionysischen Saus und Braus?
Nein, koste vom Wein oder Rum nun,
verändere nicht eine Mien’,
denn Saras Kneipen sind stumm nun
von Pflicht und von Disziplin.

Verantwortung macht nun Schule,
Anständigkeit macht sich breit,
und fällst du einmal vom Stuhle,
dann, Bruder, ist es so weit:
Denn jeder, der wankte und zechte
und niemals fand eine Norm,
den holen die Sittenwächter
und stecken in Uniform.

Anständigkeit hat das Sagen
und herrscht so schamlos und hetzt.
Wer läßt tiefe Gräben graben
im Klara-Friedhof jetzt?
Was ist für Lärm und Getue
um heilige Stätten herum?
Hier sollten die Toten in Ruhe
genießen ihr Otium.