;
◀ Zurück zur Einführung

Ein armer Mönch aus Skara

Mein Leben ist ruchlos, mein Tun ist verflucht,
ich bin ein Mönch, von Häschern gesucht,
als sündiger Bruder ich fahre,
gebannt vom Kapitel in Skara.
Ich bin nun ein alter gebeugter Mann,
zum Teufel geschickt durch den Kirchenbann
für Mord und für Trotz und für Ketzerei
und vom König erklärt für vogelfrei.

Nachdem Kanoniker Lars ich schlug,
da jagte man mich wie den Uhu im Flug,
sie trachteten mir nach dem Blute,
doch fingen nur die Kutte.
Ich war wohl ein törichter, störrischer Mann
und trank mir gewiß zu oft einen an
ganz heimlich aus äbtlicher Tonne
und sündigte schwer mit der Nonne.

Ich prügelte mich und krakeelte gern,
und schlug mich mit Säufern in jeder Tavern,
mit Weibern und Geigern ich trieb mich
und Lasse Canonicus hieb ich.
Und reuig in fremde Länder ich floh
und lebte von Fraß, abscheulich und roh,
den selbst die Schweine nicht fressen,
wie in der Vulgata zu lesen.

Doch war ich dennoch nicht Beelzebubs Knecht,
der Mensch ist gut, auch wenn er ist schlecht,
ich irrte im tosenden Sturm umher,
wie die Barke, die schlingert im Vänerschen Meer,
und endlich gestrandet, zerschlagen und leer,
zerschrammt und zerschmettert von Klippe und Schär  -
doch läßt sich aus Strandgut und Teilen
die Barke noch flicken und heilen.

Da warfen sie mich in ein tiefes Verlies
und trieben und hieben mit Stock und Spieß
und bissen wie Tiere, die beißen
und hetzen die Beute und reißen.
Sie lehrten mich Todsünde, Tücke und Haß,
und Bitterkeit trank ich und Galle aß,
ich fühlte mich tot und hohl und kalt,
verloren in Satans Gewalt,
mein Heim war tief in Gehenna,
ich wurde Mörder und Brenner.

Doch der sausende Wald, die Kaskade, die tost,
des Morgenrots glimmende Glut in Ost,
der Regen, der rauscht hernieder,
die gaben die Liebe mir wieder.
Der raunende Bach und der Vögel Gesang
die Blumen der Au und der Elche Gang,
das Eichhorn im Baume im tummelnden Glück,
die gaben mir Lebenshoffnung zurück
und gaben mir neu meine Ehre
und lehrten mich neu eine Lehre.

Es ist ja nicht wahr, was ich lernte zuvor,
daß einer bleibt draußen vorm Himmelstor,
denn jede Seele Gott gewinnt  -
die Menschen nicht Böcke, nicht Lämmer sind.
Der Gute ist dennoch nicht so gut,
wie selbst er glaubt wohl im Übermut,
der Böse ist dennoch so böse nicht,
wie selbst er glaubt, wenn Qual ihn sticht.
Denn sollst du nicht rühmen die Braven,
so sollst du auch andre nicht strafen.

Und er, der sitzet so mächtig in Rom,
bekommt wohl ohne mich den Lohn,
hat Mönche und hohe Priester,
Doctores genannt und Magister.
Der Herr, der da sitzt in der Burg so hehr,
er hat wohl zu tragen Sorgen, auch er,
und Sorgen treffen wohl König und Graf,
den Kaiser wohl selbst manche Sorge traf,
und alle auf Irrwegen wandern,
wie soll ich verdammen die andern?

Den Menschen auf Erden das Wandern frommt,
und niemand weiß, von wannen er kommt,
und niemand weiß, wo es geht hin,
und niemand weiß des Lebens Sinn.
Dereinstmal nach endlosen Streiten
wohl dämmern bessere Zeiten,
da niemand ist böse und niemand ist gut,
die Menschen, vereint in der Bosheit Flut,
einander reichen die Hände
und helfen an die Strände.

Ist meine Ehre auch vertan,
und sitz ich auch einsam im finstren Tann
und nimmermehr bessere Zeiten seh,
so will ich nicht klagen und hadern je.
Wenn freudig der Vogel schwingt himmelan,
am Morgen die Sonne zieht neu ihre Bahn,
im Frühling blühn Blüten an Bäumen  -
wie soll ich nicht hoffen und träumen?

Vielleicht, wenn Jahrtausende flogen vorbei
wie Wolken hoch über Burg und Bastei,
wird kommen ein Reiter, mit Stiefel und Sporn,
und bindet sein Roß an die Birke da vorn
und sieht meine Kate, wo ich einst lag,
und sieht den kärglichen Brettverschlag
und findet mein ärmliches Testament,
mit Feder geschrieben auf Pergament.

Dann sagt er erstaunt: “Sieh da, sieh an!
Der wußte, was nun weiß jedermann,
was kostete langen, langen Streit
auf Erden so lange, lange Zeit
-  ein Mönch aus Skara war er,
ein armer Pilgerfahrer.”



 Gustaf Fröding, Schilf, Schilf, rausche. Ausgewählte Gedichte
 übersetzt von Klaus-Rüdiger Utschick, ©1999